Vogelsang, heute eine der größten baulichen NS-Hinterlassenschaften in Deutschland, diente
zwischen 1936 und 1939 als Schulungsstätte für junge „Führungsanwärter“ der NSDAP. Hier sollten junge Männer, die sich selbst großspurig als „Junker“ bezeichneten, zu „Herrenmenschen“ formiert werden und vertieft das nationalsozialistische Menschen- und Weltbild verstehen lernen: die Würde und der Wert eines Menschen gelten nicht absolut, sondern sind gebunden an körperliche („rassische“) und charakterliche Merkmale. Ziel der Ausbildung war die Schaffung des „deutschen Menschen“, der allein aus eigener Kraft lebt, gnadenlos, mit einer „vollkommenen körperlichen Eignung“ (worauf schon bei der Auswahl großer Wert gelegt wurde). Dieses Vorbild sahen die jungen Männer an wesentlichen Stellen in Vogelsang schon ausgedrückt: monumentale, nackte, bis zu 6m hohe Skulpturen, die den jungen Männern und Besuchern auf plastische Weise das Gefühl geben sollten, was es bedeutet, ein „deutscher Mensch“ zu sein.
Auffallend häufig wurden die „religiösen“ Komponenten in Vogelsang betont. Die angestrebte totale Formierung des Menschen sollte auch auf die Seele des Menschen ausgeweitet werden, wie mit Kultelementen versehene Feiern oder Vorlesungen dokumentieren.
Trotz aller großspurigen Ziele und Bauten: Vogelsang und die NS-Ordensburgen waren ein Fehlschlag. Innerparteilich ob der teilweise kruden Ausbildungsmethoden heftig umstritten wurde ihr Betrieb mit Kriegsbeginn nach kurzer Betriebszeit wieder eingestellt; die Auszubildenden meldeten sich zum Kriegseinsatz und waren teilweise in verantwortlichen Positionen mitverantwortlich für den Holocaust in den besetzten Ostgebieten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Vogelsang ein Truppenübungsplatz eingerichtet, der nach Ende des „kalten Krieges“ und angesichts der hohen Unterhaltungskosten Ende 2005 aufgegeben wurde.
Damit begann der bis heute andauernde komplexe Konversionsprozess der ehemaligen NS-
Ordensburg und Truppenübungsplatz Vogelsang hin zu einem Lern- und Erinnerungsort, wobei neben der „äußeren“ Umgestaltung besonders die innere Konversion im Vordergrund steht: Vogelsang versteht sich heute als ein Ort bewusst gelebter Wertschätzung allen Menschen gegenüber, als ein gastfreundlicher Ort, ein Ort der Toleranz und Offenheit.